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Djihad hinterm Deich – das Ende der Nachkriegszeit in den Niederlanden[1]

Frederik van Gelder

 

“Wer hat uns je garantiert, dass wir hier für alle Zeit sicher und friedlich leben können, eine Insel der Seligkeit in einer von Katastrophen geschüttelten Welt? Und wieso dachten wir eigentlich, dass es in diesem Land alles umsonst geben könne: die Freiheit, die Wohlfahrt, die Sicherheit, den Glauben und all die Ideale, die wir noch hatten?”[2]

Wer in den vergangenen zehn Jahren in den Niederlanden gelebt hat, wurde Zeuge eines grundlegenden politischen Umbruchs, wie es ihn dort seit Mai 1945 nicht mehr gegeben hatte – und das will etwas heißen. Ein erster Blick auf einige Schlagzeilen der letzten Jahre zeigt deutlich, wie schwierig es offenbar für alle Beteiligten ist, die jüngste Entwicklung auf den Begriff zu bringen, und wie unterschiedlich die Assoziationen sind, die dabei evoziert werden: “Politisches Erdbeben”[3], heißt es da, oder “Steuerlos”[4], “Das Menetekel an der Wand”[5], “Nach dem Bildersturm”[6], “Ein Land zu Fall gebracht”[7], “Was nun?”[8], “Kultureller Selbstmord”[9], “Ein moralisch entgleistes Land”[10], “Holland brennt!”[11], “Ich habe Angst um mein Land!”[12], “Demokratie im Niedergang”[13], “Das Ende der Konsenspolitik”[14], “Die Tribalisierung der Niederlande”[15] – Beispiele dieser Art ließen sich noch zahlreiche finden. Nach dem 2. November 2004 – dem Tag der Ermordung des Filmemachers Theo van Gogh – sprach der belgische Premierminister von einem möglichen Bürgerkrieg im nördlichen Nachbarland, während das American Forces Command Holland zur “Gefahrenzone” erklärte und das russische Parlament Den Haag dringend um Aufklärung bat. Und das dänische Blatt Politiken erblickte aus der Ferne sogar “ein Szenario wie aus der Kristallnacht”.

Ganz gleich, was sonst noch geschah; ganz gleich, welche Position man hinsichtlich der jüngsten politischen Ereignisse einnimmt und welche Perspektive man bevorzugt, egal auch, mit wem man darüber redet – an einer Erkenntnis kommt man nicht mehr vorbei: Die Niederlande, wie man sie einst kannte und schätzte, gehören einer vergangenen Zeit an; sie sind Geschichte geworden.[16]

Also, wo sollte man ansetzen?

Zunächst eine persönliche Anmerkung. Ich verfolge die niederländische Politik und Kultur nun schon seit einiger Zeit aus nächster Nähe, und tue das mit einem Projektkonzept vor Augen, das Prozessen der sozialen (Des-)Integration in der heutigen Welt nachgeht, ausgehend von begrifflichen Annahmen, die Habermas in der Theorie des kommunikativen Handels begründet hat. Doch als ich dem Institut für Sozialforschung im November vergangenen Jahres diesen heutigen Vortrag anbot, war ich noch stets von jener eigentümlichen Stimmung erfasst, die sich in Amsterdam unmittelbar nach dem Mord an Theo van Gogh ausgebreitet hatte. Sie schien an die Dringlichkeit eines solchen Projekts zu mahnen, zugleich aber auch an die Nutzlosigkeit – oder jedenfalls: praktische Unausführbarkeit – eines letztendlich doch theoretisch angelegten Konstrukts zu erinnern. Auf einem Pulverfass lässt sich schlecht theoretisieren, und selbst während ich dies schrieb, war ich mir der beiden einander entgegengesetzten Impulse, die mir gewissermaßen die Feder führten, sehr bewusst. Da war einerseits der Soziologe, der sein Arbeitsleben damit verbracht hat, die Welt mit Hilfe der Kategorien der Kritischen Theorie zu deuten, der sich keineswegs so wohl fühlte in der Haut eines niederländischen Staatsbürgers, der angesichts des Trümmerhaufens dessen, was von dem “niederländischen Wunder” aus früheren Jahren übriggeblieben ist, Zorn und Entsetzen nicht ganz unterdrücken konnte. Und das war nicht einfach in Einklang zu bringen.

Es wäre übertrieben zu sagen, dass ich Augenzeuge des Mordes an Theo van Gogh am 2. November 2004 gewesen sei. Ich war zum fraglichen Zeitpunkt zwar selber auf dem Fahrrad durch Amsterdam unterwegs, und nur etwa einen Kilometer vom Tatort entfernt, habe aber nichts davon bemerkt. Die Nachricht von der Ermordung drang erst ein paar Stunden später durch Hörensagen zu mir durch. Daraufhin radelte ich an jenem Nachmittag in die Linnaeusstraat, unterhielt mich dort mit Schaulustigen, die sich vor der polizeilichen Absperrung gesammelt hatten, nahm an einer öffentlichen Kundgebung auf dem ‘Dam’ teil, die spontan für denselben Abend anberaumt worden war, und auf der der Bürgermeister der Stadt, Job Cohen, und die niederländische Ministerin für Immigration und Integration, Rita Verdonk, sprachen, und ich ging eine Woche später auch zu Van Goghs Begräbnis. Ich erlebte die Politik des ‘calming down’, des Herunterfahrens von hochkochenden Emotionen, aus nächster Nähe – nicht ohne Respekt für die betreffenden Lokalpolitiker zu empfinden, die keineswegs auf meinen Hinweis angewiesen waren, wie schnell die Situation außer Kontrolle geraten könnte.

Inzwischen weiß jeder, was letztes Jahr passiert ist. Der erste religiös motivierte Mord in der neueren niederländischen Geschichte, mit beispiellosen antisemitischen Untertönen obendrein. Ein junger Mann, geboren und aufgewachsen in Amsterdam, mit niederländischer Staatsangehörigkeit, schießt eine bekannte Medienpersönlichkeit am hellichten Tag auf offener Straße nieder, bemüht sich anschließend redlich, ihn zu enthaupten, hinterlässt eine Todesdrohung an eine prominente VVD-Politikerin am Tatort – mit einem Schlachtermesser an den Körper seines Opfers gespießt, und läuft weg in der Hoffnung, durch die Ungläubigen, denen er gerade den Krieg erklärt hat, zum Märtyrer befördert zu werden.

Das Echo auf diesen Mord – der erste terroristische Angriff in den Niederlanden – hallt fast ein Jahr später in der dortigen politischen Landschaft immer noch nach.

Ich möchte in meinem Vortrag kurz auf drei Aspekte eingehen: i) den historischen Hintergrund dieser dramatischen Ereignisse, ii) die Strategien, welche die politischen Parteien – insbesondere die VVD – angesichts der “Wählerrevolte” der jüngsten Zeit verfolgen, iii) die neue Polarisierung unter den Intellektuellen.

I. Der historische Hintergrund

Die Sozialdemokratie der Nachkriegszeit, wie die Partij van de Arbeid (Arbeitspartei), kurz PvdA, sie zunächst allein, später als sogenanntes “violettes Kabinett I und II”[17] in Form von Koalitionen verkörperte, basierte von Anfang an auf zwei sehr spezifisch holländischen Phänomenen: zum einen einer Jahrhunderte alten Konsenspolitik, auch bekannt unter dem Stichwort “Polder-Modell” – ein Name, der auf die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit gegen den übermächtigen Gegner, das Meer, und gegen fremde Feinde von außen zurückgeht. Zum anderen auf die pragmatische Reaktion gegenüber der politischen Herausforderung durch den Nationalsozialismus der östlichen Nachbarn in den 1930er Jahren, als die Sozialdemokratische Partei ihre Anhängerschaft mit dem Slogan “Einheit durch Demokratie” mobilisierte. Unter diesem Vorzeichen – später unterstützt durch die ’68er-Bewegung – entwickelte sich einer der reichsten und sozial gerechtesten Wohlfahrtsstaaten auf der Welt, der seinen Staatsbürgern ein Ausmaß an individueller Freiheit bot, das über Europa hinaus Achtung hervorrief. Oder, in soziologischen Termini ausgedrückt: Diesem Staat gelang eine bemerkenswert erfolgreiche systemische Integration durch eine schnelle und frühe Anpassung an das, was man später eine globalisierte Wirtschaft nennen sollte, und er erreichte einen hohen Standard an sozialer Integration durch die Mobilisierung einer universalistischen Ethik, die noch aus den Zeiten der “Versäulung” stammte.

Das niederländische “Säulen”-Modell verdient eine kurze Erläuterung. Es ist ein Erbe des konfessionell ausgerichteten Parteiensystems, das 1870 von Protestanten, Katholiken und sozialdemokratisch orientierten Organisationen gegründet worden war, und wird oft als ein entscheidender Faktor für den bis vor kurzem vorherrschenden Pragmatismus der niederländischen Politik betrachtet, der wesentlich zum Erfolg etwa der “violetten” Koalition oder des so genannten “Dutch miracle” der 90er Jahre beitrug. Diese Säulen, die die Grundlage für die sozialpolitische Stabilität des Landes lange vor der Gründung formaler Parteien um 1870 herum bildeten, stellten eine Art konfessionell basierten Föderalismus dar, der sich wiederum auf das Prinzip der Autonomie und Selbstbestimmung innerhalb der einzelnen Säulen stützte. Sie umfassten jeweils eigene Schulen, Gewerkschaften, Tageszeitungen, Universitäten, und später Radio- und Fernsehanstalten. Eine Versäulung also, die eher religiös als territorial oder regional verankert war, die jedoch in vielerlei Hinsicht den schweizerischen Kantonen glich, und innerhalb deren eine erfolgreiche Politik auf nationalem Niveau den Konsens zwischen den unterschiedlichen Parteivorsitzenden voraussetzte.

“In einem dichtbesiedelten Land, in dem die Differenz zwischen Konfession und Klassenzugehörigkeit nie so wichtig war wie der gemeinsame Kampf gegen das Meer, ist die einzige Art und Weise, um zu funktionieren, das Motto ‘leben und leben lassen’. Wichtige Entscheidungen mussten schon immer das Ergebnis einer breiten Übereinstimmung sein. Deshalb verursachen die neuen Gesetze über Euthanasie und die Homo-Ehe woanders möglicherweise heftige Kontroversen, nicht so aber in den Niederlanden, weil dort schon seit langem darüber diskutiert worden war. (…) In so einer Atmosphäre ist es für jeden verantwortlichen Politiker, ob weltlich oder religiös orientiert, außerordentlich schwierig, eine Politik durchzusetzen, die nicht von weiten Teilen der Bevölkerung getragen wird.”

Angesichts dieses spezifisch historischen Hintergrundes und der Mentalität des ‘Runden Tisches’ war es der PvdA innerhalb einer Reihe von Koalitionsregierungen in der schwierigen Wiederaufbauperiode nach Kriegsende gelungen, politisch den Ton anzugeben und den Frieden zu wahren, obwohl sie – gemessen an den parlamentarischen Mehrheitsverhältnissen und der Anzahl der Wählerstimmen – nie mehr als ein “Juniorpartner” war. Die gesamte politische Klasse akzeptierte die Führungsrolle der PvdA als eine Voraussetzung für “den Wiederaufbau, für Ruhe und Ordnung in der Arbeitswelt und für die Lösung wichtiger politischer Konflikte, wie etwa das Verhältnis zu Indonesien” [Wansink] zu akzeptieren.

Die Errungenschaften, die diese landesspezifische politische Praxis – von Anhängern als “das niederländische Vorzeigemodell” gerühmt, von Gegnern als “Hollanditis” geschmäht – verbuchen konnte, konnten sich sehen lassen. Die wegweisenden Niederlande gehörten zu den EU-Gründungsmitgliedern der ersten Stunde, sie waren häufig eine treibende Kraft in internationalen Organisationen, bei Entwicklungshilfe- und Menschenrechtsprojekten auf der ganzen Welt. Zur Zeit des Rüstungswettlaufs ergriff das Land die Initiative bei der Überwindung des atomaren Patts im Ost-West-Konflikt. In der Innenpolitik schlugen die Niederlande bei Themen wie Drogenpolitik, Prostitution, Justiz- und Gefängnisreform, Homosexualität und Sterbehilfe ausgesprochen progressive politische Wege ein, die in Europa und auf internationaler Ebene weite Beachtung fanden, wenn auch nicht immer uneingeschränkte Zustimmung.

Dies hatte seinen Höhepunkt in den “Roaring Nineties” (De Winter), einer Dekade, in der tatsächlich alles machbar und erreichbar erschien. Zwölf glorreiche Jahre waren es zwischen dem Fall der Berliner Mauer und dem Kollaps der Twin Towers, und sie scheinen der Gegenwart schon so weit entrückt zu sein, dass man in der aktuellen “the day after”-Katerstimmung fast reuevoll zurückblickt – um es mit Geert Maks Worten zu sagen – “als ob wir damals alle fröhlich wie die Häschen im Mondschein hopsten”[18].

Selbst noch im Mai 2002, nur wenige Tage vor der schmachvollen Niederlage der PvdA im Mai, zählte The Economist die Niederlande auf ökonomischem und sozialem Gebiet zu einem der wohlhabendsten Staaten der Welt.

Dann – gleichsam wie aus heiterem Himmel – kam das “lange Jahr 2002” [das auf den Zeitraum zwischen den New Yorker Anschlägen und der zweiten Regierungsperiode Balkenende anspielt] und erfolgte die Transformation vom Vorzeigeland zu etwas, ja beinahe diametral Entgegengesetztem. “Das verlorene Paradies” betitelte Cees Nooteboom denn auch folgerichtig seinen neuesten Roman.

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“Walking back the cat” nennt man im Geheimdienstjargon eine Rückwärtsperspektive, bei der herausgefunden werden soll, weshalb eine sorgfältig durchdachte Planung so vollständig scheitern konnte. Dieser Ausdruck trifft recht gut auf die derzeitige kollektive Suche nach den Ursachen für und den Heilmitteln gegen die Krise zu, die das Land in weniger als 30 Monaten durch eine Wählerrevolte, einen politischen Mord und ein terroristisches Attentat unter Umständen, die nahelegten, dass es nicht das letzte seiner Art bleiben würde, ins Taumeln brachte. Solche Ereignisse hätten einer Staatsführung bedurft, die in der Lage gewesen wäre, das Land zu einen, doch sie erwischten es ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als es von einer nahezu gelähmten Führung regiert wurde, die alle Hände voll zu tun hatte, um das Staatsschiff wieder flott zu machen – und dies angesichts einer radikalen Kehrtwendung der “Post 9/11”-Politik der USA bei den wichtigsten Grundsätzen der bisherigen Außenpolitik. Vor dem Hintergrund dieser Litanei wirkt die Ablehnung des Vertrags über die Europäische Verfassung durch das Volksreferendum im Juni dieses Jahres wie ein weiterer Fehlschlag, wie eine weitere Hiobsbotschaft. Dies war gewissermaßen die zweite außenpolitische Niederlage innerhalb weniger Jahre, nach Srebrenica und dem Scheitern der Dutchbat-Mission im ehemaligen Jugoslawien.[19]

In den ersten Analysen des Krisenjahres 2002 besteht Übereinstimmung darin, dass die populistische Revolte lediglich ein Symptom, aber keine Ursache für jene allgemeine Unzufriedenheit unter den Wählern darstellt, die seit Jahren allmählich zugenommen hatte.

“Alles funktionierte noch, doch hatte sich in den Küchen schon so manches zusammengebraut und war ein explosives Gemisch entstanden. In dieser Atmosphäre war Fortuyn derjenige, der sich mit ein paar Streichhölzern ausgestattet auf die Suche nach einem Leck in der Gasleitung machte.”[20]

Die darauf folgende Explosion erfolgte allerdings vor einem gesellschaftlichen und politischen Hintergrund, den Holland mit allen anderen westlichen Gesellschaften teilt, und der von Soziologen seit Jahren mit Begriffen wie Individualisierung, Ästhetisierung der Lebenswelt, Hedonismus, Atomismus, Narzissmus und überzogenem Individualismus analysiert wird.[21] Doch der Knall, der dann kam, war lauter als in anderen Ländern, und die explosive Mischung, die den Unmut herbeiführte, enthielt Komponenten, die Licht auf relevante Probleme der sozialen Integration in ganz Europa werfen könnten.

Im Nachhinein ist man immer klüger. Betrachtet man nun die Herausforderungen, denen sich insbesondere die PvdA zu stellen hatte, werden die Gründe ihres Niedergangs plausibler.

  1. Ihre traditionellen Stammwähler – Angestellte und Arbeiter – wurden mehr und mehr von den Verheißungen des Konsumismus verführt, was die PvdA zunehmend in die Rolle einer “catch-all”-Partei zwang, die sich notgedrungen der ständig wachsenden Zahl von Wechselwählern anpassen musste. Das sind Wähler, die sich das Grundsatzprogramm der PvdA aus den 60er Jahren zu eigen gemacht haben, das “Selbstverwirklichung” und “individuelle Entscheidungsfreiheit” zum Maß aller Dinge machte, und die von den unaufhörlich anwachsenden kommerziellen Medien gelernt hatten, dass politische Parteien und deren Grundsatzprogramme angeblich ein Konsumprodukt wie jedes andere seien. Aber die Wähler registrierten auch mit wachsendem Unmut, dass sich eine Kluft zwischen den Gewinnern und den Verlierern des Modernisierungsprozesses immer weiter auftat, deren Folgen die Einwohner der alten Sozialbauviertel, die Rentner, die Jugendlichen, die Lehrer, Krankenpfleger, Sozialarbeiter, Polizisten und lokalen Angestellten ausbaden mussten.
  2. Ökonomisch wurde die PvdA nicht nur mit den steigenden Kosten des Wohlfahrtsstaats konfrontiert, sondern auch mit den strikten Vorgaben des Vertrags von Maastricht von 1991 zum Abbau der Defizitquote und zur Sozial- und Wirtschaftspolitik im Allgemeinen sowie mit der Währungsunion, die in ihren späteren Vertragsbedingungen Preisstabilität und restriktive Spareinschnitte verlangt – alles im Namen der “europäischen Harmonisierung”.
  3. Obwohl der mehr oder weniger paternalistisch geplante und durchgeführte wirtschaftliche Wiederaufbau der Nachkriegszeit den Schlüssel zur ökonomischen Stabilität in den 1950er und 1960er Jahren darstellte (und ein letztes Revival im Vertrag von Wassenaar der 90er Jahre fand), war die Notwendigkeit einer zentral gesteuerten Sozial- und Wirtschaftspolitik kein Thema, das die Partei ihren Stammwählern erfolgreich hätte “verkaufen” können, geschweige denn einer größeren Wählerschaft, die sich von Milton Friedman und Margaret Thatcher mehr beeindrucken ließ als von Willem Drees und Jan Tinbergen. Dies war seinerzeit ein Teil des Verhaltensmusters der Sozialdemokratie in ganz Europa, die, Anthony Giddens zufolge, etwas Wesentliches verloren hatte, nämlich “its most important capital, namely the conviction that a guided economy was superior to a purely market-driven one”[22]. Die PvdA musste – wie jede andere sozialdemokratische Partei oder Labour Party – in den sauren Apfel des Thatcherismus bzw. der Reaganomics beißen, um an der Macht zu bleiben, d.h. sie war gezwungen, einen unausgegorenen “Dritten Weg” (bzw. eine “Neue Mitte”) zu verteidigen; angesiedelt irgendwo zwischen dem Neoliberalismus und dem eigenen bisherigen Wohlfahrtsstaat-Kurs, dem man mittlerweile abgeschworen hatte.
  4. Es entstanden unvorhergesehene Verknüpfungen zwischen der Außen- und der Innenpolitik; so führte beispielsweise die Unterstützung für den Irakkrieg in den Zuwanderermilieus zu heftigen Protesten und Distanzierungen von der offiziellen Politik.
  5. Kontrollverlust über die Erziehung und das Bildungswesen, die Zuwanderung und die Wirtschaft.
  6. Die neoliberale Gleichschaltung der Universitäten und des höheren Bildungsweges im Namen von Brüssel, des Marktes und der Globalisierung.[23]

Alle diese wichtigen Faktoren aufzuzählen, ist selbstverständlich nicht mit einer “Erklärung” des derzeitigen politischen Durcheinanders in den Niederlanden gleichzusetzen. Es besteht die Gefahr, dass man – wie die Eule der Minerva – zu spät kommt, nämlich erst nach den Ereignissen, und im Nachhinein klare und unumstößliche Determinismen ausmacht, obwohl die Ereignisse ohne Weiteres auch eine ganz andere Wendung hätten nehmen können. Wenn die Partei während des Führungsstreits innerhalb der PvdA im Jahr 2001 die Stimmung sowohl ihrer Stammwähler als auch der allgemeinen Öffentlichkeit nicht völlig falsch eingeschätzt hätte (d.h. wenn sich die Partei eher für ein deutlich profiliertes politisches Programm als für eine von PR-Leuten konzipierte ‘Wahlkampfmaschinerie’ entschieden hätte), dann hätte die ruinöse Niederlage im Mai 2002 aller Wahrscheinlichkeit nach vermieden werden können. Wenn es statt “9/11” etwa einen “28/10” gegeben hätte (d.h. wenn die Angriffe auf die Twin Towers und das Pentagon zwei Wochen vorher stattgefunden hätten), hätte Wim Kok nicht ausgerechnet zu dem Zeitpunkt angekündigt, als Premierminister zurückzutreten, und es wäre zu keinem politischen Vakuum unmittelbar vor den Wahlen gekommen. Wenn der Srebrenica-Report nicht einen Monat vor den Wahlen erschienen wäre, wäre es in solch einem entscheidenden Moment wohl nicht zu einer Kabinettskrise gekommen. Und wenn die Regierung den Warnungen der Experten vor der Kluft, die sich zwischen den so genannten “Autochthonen” und den “Allochthonen” aufgetan hat – eben jenen Anfängen der heutigen “Parallelgesellschaften” –, rechtzeitig Gehör geschenkt hätte, hätte die neue urbane Ghettoisierung vielleicht verhindert werden können. Wenn alle diese Dinge geschehen wären, wären heute ganz andere Szenarien denkbar.

Doch es bleibt die Tatsache, dass eine neue tiefe Kluft entstanden ist, und dass die Wählerrevolte entlang eben jener Konfrontationslinien innerhalb des politischen Systems stattgefunden hat, wovor Soziologen seit langem warnten. Es wird schwierig sein, diese Entwicklung wieder rückgängig zu machen.[24]

In Holland hat sich, ebenso wie im übrigen Europa, eine neue Schicht von Unternehmern, Medienmagnaten und Neureichen herausgebildet, die sich medienwirksam zu inszenieren verstehen und die keine Geduld mehr für eine Politik des Konsensus und der Integration aufbringen, die aber ihrerseits die Kunst der politischen Manipulation gut gelernt haben.[25] “Das Holland der kleinen Leute erwacht gerade, und ausschließlich mit Verachtung kann das Establishment dem nicht begegnen.”[26]

II. Die ‘neue Politiklinie’: Populismus, Ideologisierung und Polarisierung

Dass die politische Kultur Den Haags sich derzeit rasant verändert, wird von ausnahmslos allen politischen Beobachtern konstatiert. Der Politologe Philip van Praag weist zudem auf den Umstand hin, dass bei dieser Entwicklung die Initiative zur Ideologisierung – im Gegensatz zu den 70er Jahren – inzwischen nicht mehr von den progressiven Parteien ausgehe, sondern hauptsächlich von der VVD [= Volkspartij voor Vrijheid en Democratie]. In den 70er Jahren sei vor allem die PvdA davon überzeugt gewesen, dass ihre Bemühungen, Gegensätze auf die Spitze zu treiben, bei den Wählern gut ankämen. Van Praag zufolge hat die VVD mittlerweile in ihrer Politik eine neue Richtung hin zu Populismus und Polarisierung eingeschlagen. Sie ist nach den herben Stimmenverlusten von 2002 und ihrem enttäuschenden Abschneiden im Jahr 2003 offenbar zu dem Schluss gelangt, dass sie nur noch durch die Instrumentalisierung von Emotionen und das Aufgreifen von Fortuyns Themenkatalog aus ihrem Wählertief kommen könne. Die Kehrseite davon sei aber, dass dies auf Kosten der sachlich-vernünftigen und auf Konsens abzielenden niederländischen politischen Kultur geschehe, was die VVD nicht weiter störe. Die zentrale Frage laute nun, so Van Praag, was diese Veränderungen für die Funktionsfähigkeit der Politik für Folgen haben könnten. Es bestehe die Gefahr, dass wesentliche gesellschaftliche Gegensätze in Zukunft schlechter beherrschbar würden und die gesellschaftlichen Spannungen eher noch zunähmen.[27]

Damit wäre die Konsensdemokratie zugunsten einer neuen politischen Ideologisierung und Polarisierung aufgegeben.

III. Polarisierung unter den Intellektuellen

Um eine Vorstellung von der Tiefe der Kluft zu vermitteln, die sich zwischen niederländischen Intellektuellen zum Thema ‘MIT’ (d.h. Multikulturalismus, Integration und Terrorismus) geöffnet hat, ist es erforderlich, einige Erläuterungen über die Charakteristika der niederländischen Kultur, insbesondere über deren Entwicklung seit der Entsäulung in den 60er Jahren, zu geben.

Die niederländische Kultur der Nachkriegsperiode wurde vor allem von zwei Faktoren besonders beeinflusst:

  1. von dem Bedürfnis, dem Zweiten Weltkrieg (“der Mutter aller Katastrophen”, wie es der Historiker Hermann von der Dunk ausdrückt) irgendeinen Sinn beizumessen;
  2. von dem Bedürfnis, nach dem Zusammenbruch der “Säulen” eine Art tragenden moralpolitischen Konsens zu finden, der ihn kompensieren könnte; und dies zudem in einem Land, das sich in rapidem Tempo – zumindest in ökonomischer Hinsicht – in die neue globalisierte Wirtschaftsordnung eingliederte. Damit führte es eine Tradition fort, die diese liberale Gesellschaft mit ihrer langen Geschichte internationaler Beziehungen und Handelsverbindungen, die weder einen Bismarck noch den Ersten Weltkrieg durchmachte, schon einmal in ihrer fernen und ruhmreichen Vergangenheit geprägt hatte: die friedliche Koexistenz zwischen einem liberalen und humanistischen Ethos und einem mächtigen Handelsimperium. Im Verlauf dieser Entwicklung erhielt der Begriff “Toleranz” (Ed van Thijn, der ehemaligen Bürgermeister von Amsterdam und PvdA-Politiker, nannte sie “unser wertvollstes kulturelles Erbe”) Konnotationen, die er in Großbritannien, Deutschland oder den Vereinigten Staaten wohl so nicht erhalten hätte.

Das Wort “Toleranz” (und eine Reihe ähnlicher Begriffe wie “Meinungsfreiheit” oder “Pressefreiheit”) löst in Holland ein sozialpsychologisches und politisches Echo aus, dessen Ursprung ungemein weit zurückreicht, nämlich bis zur Union von Utrecht 1579, die das Ende des siegreichen Befreiungskrieges unter Leitung des Hauses von Oranien gegen Spanien markiert. Der Artikel XIII jenes Vertrages, insbesondere die darin festgehaltene Klausel von der Garantie der “Gewissensfreiheit”, wurde de facto zur Verfassung der vereinten Niederlande. Mit anderen Worten, dies sind Konnotationen, die bis zu den Ursprüngen unseres modernen Verständnisses von individuellen Freiheiten und Menschenrechten überhaupt zurückreichen, und zwar lange, bevor diese in der Französischen Revolution oder dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg zum Thema wurden.[28] Dass Namen wie Spinoza, Descartes, John Locke und Pierre Bayle bis zum heutigen Tag mit den Niederlanden assoziiert werden, geht auf diese ehrwürdige Geschichte des Freiheitsbegriffs zurück.

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Unter niederländischen Intellektuellen hat die gegenwärtige Krise eigentlich mit Paul Scheffers Publikation “Das multikulturelle Drama” [Het multiculturele drama] aus dem Jahr 2000 begonnen. Darin führt Scheffer, ein prominenter PvdA-Politiker und Professor für Urbane Soziologie in Amsterdam, die folgenden Aspekte an, die, nähme man sie ernst, erhebliche Konsequenzen nach sich zögen:

  1. Dass die Integration für einen nicht unerheblichen Teil der Immigranten aus nicht-westlichen Ländern – berücksichtigt man die üblichen Kategorien wie Einkommen, Bildung, Beschäftigungsverhältnis, Gesetzestreue, Familienverhältnisse usw. – als gescheitert zu nennen sei;
  2. dass die “Nord-Süd”-Thematik, die einige Jahrzehnte zuvor noch die Entwicklungspolitik und Internationale Beziehungen beschäftigt hatte, inzwischen ins Ressort der der Innenpolitik gewechselt ist, mit “Parallelgesellschaften”, die sich in den Großstädten entwickelt hätten. Er weist auf die Prognosen des Amtes für Statistik hin, wonach die Hälfte der Bevölkerung in den vier größten niederländischen Städten bis 2015 aus Immigranten aus nicht-westlichen Ländern bestehen wird.
  3. dass diese neue demographische Realität nicht damit abzutun sei, dass man diese neuen ‘Communities’ einfach als neue ‘Säule’ betrachte;
  4. dass die Rolle, die der Islam innerhalb der Migrantencommunities spielt, nicht mit der Rolle christlicher Gemeinden in Holland verglichen werden könne;
  5. dass die offizielle Integrationspolitik – inclusive das Multikulturalismuskonzept der Linken – gescheitert sei.

“Und so stürzt das Kartenhaus des multikulturellen Zusammenlebens in sich zusammen. Alle unausgesprochenen Erwartungen, dass Integration hauptsächlich eine Frage der Zeit sei, haben sich nicht bewahrheitet. Unter der Oberfläche des offiziellen Diskurses existiert ein ganz anderes Narrativ, das sich nicht oder kaum Gehör verschaffen konnte, und das vom kulturellen Zusammenprall zeugt. Wir leben jetzt bereits mit den Migranten der dritten Generation zusammen, und die Probleme haben eher noch zugenommen. Ob erfolgreiche Migranten die erhoffte Vorreiterrolle spielen, ist keineswegs sicher; denn die meisten distanzieren sich so schnell wie möglich von ihrem vermeintlichen kulturellen Hintergrund. Es ist kein Zeichen von Offenheit, solche Wahrnehmungen mit einem locker-flockigen Plädoyer für die multikulturelle Gesellschaft zu übergehen. All die Apologeten der Diversität sind nicht daran interessiert, was sich in den niederländischen Großstädten abspielt. Der Wechsel in eine anonyme Stadtgesellschaft, in der man die Gesetzesvorschriften nicht so eng sieht und lieber Kompromisse findet als Übertretungen bestraft, hat sich für viele Migranten als ein zu abrupter herausgestellt. In einer Zeit, die durch massive Zuwanderung gekennzeichnet ist, können die Freiheiten in den Niederlanden nicht mehr mit den alten Mitteln aufrechterhalten werden. Die Kultur des gutwilligen Ein-Auge-Zudrückens [„gedogen” = was untersagt ist, wird noch nicht gleich unterbunden], die nun an ihre Grenzen stößt, wird von einem Selbstbild begleitet, das unaufrichtig ist. Es ist angebracht, sich von der kosmopolitischen Illusion, an die sich viele festklammern, zu verabschieden.“ [Paul Scheffer]

Scheffer bringt demnach deutlich die Befürchtung zum Ausdruck, dass die ganze Nation im Begriff sei, ihre Fähigkeit zu verlieren, diese Entwicklungen positiv zu beeinflussen. Er warnt vor einer Situation, die “einen ein wenig an den unerschütterlichen Glauben an die Neutralitätspolitik am Vorabend des Zweiten Weltkriegs erinnert”.

Während die Themen, die Scheffer hier anspricht, keine wirklich neuen sind, hat die Kontroverse, die damit ausgelöst wurde, zum jetzigen Zeitpunkt, fünf Jahre später, die intellektuelle Landschaft vollständig verändert. Das Timing war ein Teil davon: Vor dem “long year of 2002” (Blokker) hatten nur wenige innerhalb der Linken den Multikulturalismus und die Zuwanderungspolitik der “violetten” Koalition in Frage gestellt. Ebenso wenig zweifelten die meisten von ihnen an der Annahme, dass die neuen Minderheiten früher oder später ihre eigene “Säule” bilden würden. Die eingespielten Regeln und Gebräuche der “Demokratie durch Pazifizierung” würden erneut greifen und wirken, wie sie das schon immer nach Kriegen, Rezessionen und Naturkatastrophen getan hatten. Davon ging man stillschweigend aus. Doch seit der Ermordung Van Goghs schien dies keineswegs mehr so evident zu sein, und für diejenigen, die das hehre Ideal des “Wir-auf-dem-Deich-halten-alle-zusammen” nicht teilten, klang es eher nostalgisch als realistisch.

“Wir können den Terrorismus nicht mit konventionellen Modellen wie Armut, Unterdrückung oder Mangel an Perspektiven erklären. Sie reichen aus, um die Aggressivität von arbeitslosen Jugendlichen zu analysieren, nicht aber das Verhalten von Terroristen, die bereit sind, eine Kathedrale, den Vatikan oder einen Atomreaktor in die Luft zu jagen. Aber wir tun trotzdem so, als hätten wir es mit benachteiligten, schwer erziehbaren Jugendlichien zu tun, weil wir uns zumindest auf diesem Gebiet gut auskennen.” [Zitat Leon de Winter]

Dies also sind die neuen Fronten, die sich seit dem 11. September 2001 und dem 2. November 2004 herausgebildet haben, und sie liegen quer zu den traditionellen Konfrontationslinien zwischen Links und Rechts. Akademiker wie Paul Scheffer, Paul Cliteur, Herman Philipse, Paul Schnabel, oder Schriftsteller wie Leon de Winter und Judith Herzberg legen ihre Schwerpunkte auf die Krise im Nahen und Mittleren Osten, auf die Schwäche der staatlichen Verwaltung angesichts der neuen Herausforderungen, auf das Wiederaufleben des Antisemitismus und auf die Hilflosigkeit einer hochindividualisierten und anscheinend sorglosen Gesellschaft gegenüber den neuen Fundamentalismen. Sie sehen in dem offiziellen Multikulturalismuskonzept der letzten Jahre eine eklatante Unterschätzung der neuen Ghettobildung und ihrer Folgen.

Andererseits betonen Intellektuelle wie Geert Mak, Afshin Ellian oder Harry Kunneman – inclusive etlicher PvdA-Parteimitglieder, Feministinnen und Lokalpolitiker, die angesichts der lokalen Bevölkerungsstruktur keine andere Wahl haben – ihrerseits, dass es keine Alternative zur Integrationspolitik gebe und dass die harte “Wir befinden uns im Krieg”-Position die angespannte Lage nicht nur verschlimmere, sondern zu einer “self-fulfilling prophecy” werden könne. Der “war on terror” ist weder ein Religionskrieg noch eine Reaktion auf einen vermeintlichen “clash of civilizations”, argumentiert etwa Geert Mak. In seiner Antwort auf Leon de Winter rückt er die Konfrontation in ein ganz anderes Licht:

“De Winter greift in Wirklichkeit den Gedanken von jemand ganz anderem auf, nämlich von dem einflussreichen Historiker Bernard Lewis, der die kulturelle Stagnation der arabischen Welt zum größten Teil aus dem Islam erklärt. (…) Hier geschieht etwas ganz anderes, hier wird eher der Kalte Krieg mit anderen Mitteln fortgeführt. Der Islam spielt für Publizisten wie Lewis und De Winter dieselbe Rolle als Feind des modernen liberalen Westens wie früher der Kommunismus.“[29] [Zitat Geert Mak]

Ich komme zum Schluss.

Mohammed B. ist nicht Herschel Grynspan – und das Holland von 2005 ist weder das Deutschland von 1933 noch das Serbien von 1990.[30] Doch hat sich im ‘langen Jahr 2002’ etwas Entscheidendes verändert in der niederländischen Gesellschaft, in der niederländischen Politik, im niederländischen intellektuellen Diskurs. Zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben Fragen, die Ethnizität, Identität, Religion und sozio-ökonomische Polarisierung betreffen, eine Virulenz bekommen, die nur wenige in diesem blühenden und friedlichen Land für möglich gehalten hatten. Ganz gleich, was die nächsten Jahre bringen werden – und ich bezweifle nicht, dass die alte, erprobte ‘Politik der Pazifizierung’ sich wieder durchsetzen wird –, die Intellektuellen in Holland und im übrigen Europa werden sich mit den Folgen der Globalisierung, der Migration und den neuartigen Formen der Kommunikation auseinandersetzen müssen. Es ist eine alte Einsicht der Frankfurter Schule, dass der Prozess der Säkularisierung, der Verbreitung demokratischer Freiheiten und individueller Rechte sowie von Märkten und Medien, wie wir ihn nun in der Nachkriegszeit in den westlichen Staaten miterlebt haben, nicht unumkehrbar ist. Genau dies ist mit der Formulierung gemeint, dass die ‘Aufklärung’ einer ‘Dialektik’ ausgesetzt sei, die sich in ihr Gegenteil verkehren könne – eine Warnung, die Horkheimer und Adorno während ihres Exils in den Vereinigten Staaten in ihrem Buch Die Dialektik der Aufklärung niedergeschrieben hatten, das in Amsterdam – diesem Jahrhunderte alten sicheren Hafen für Flüchtlinge und Intellektuelle – veröffentlicht worden war, sobald dies 1947 wieder möglich war. Es ist nicht die schlechteste Inspirationsquelle für diejenigen, die nun, sechzig Jahre später, durch diese alte Stadt wandern und versuchen zu verstehen, welchen Weg der alte Kontinent Europa nun eingeschlagen hat.

Notes:

[1] Institut für Sozialforschung, Vortrag 12. September 2005.

[2] Geert Mak, S. 38.

[3] Earthquake has become a widespread metaphor. “& een in Nederland nog nooit vertoonde aardverschuiving”, Hans Wansink: De erfenis van Fortuyn, S. 206. Robert Coops et.al. (eds.): Een politieke aardverschuiving, 2003. The same metaphor in Jutta Chorus and Menno de Galan (2002): In de ban van Fortuyn. Reconstructie van een politieke aardschok, and Lidy Nocolasen (2002): Van onze verslaggeefster. Dagboek van een politieke aardverschuiving.

[4] Pieter van Os (2005): Nederland op scherp – Buitenlandse beschouwingen over een stuurloos land.

[5] Theo Veenkamp (2005): “Dutch sign on Europe’s wall”, in: open Democracy.

[6] Jos de Beus (2002): Na de beeldenstorm. (Etty Hillesum-lezing).

[7] Vgl. “Netherlands – A land brought low”, in: The Guardian, 11.11.2004

[8] “Hoe nu verder? 42 visies op de toekomst van Nederland na de moord op Theo van Gogh”, in: Het Spectrum (2005).

[9] Jonathan I. Israel: “Culturele zelfmoord”, in: Pieter van Os (Hrsg.): Nederland dop scherp (2005).

[10] Bram Peper (2002): Een dolend land.

[11] Journaal, Nov. 2004, 2. Woche.

[12] Henk Spaan: “I fear for my country. The murder of Theo van Gogh has laid bare the dangerous tensions between race, culture and liberal society”, in: The Guardian, 11.11.2004.

[13] Joop van Holsteyn/Cas Mudde (2002) (Hrsg.): Democratie in verval?

[14] Wolfgang Weber (2002): “The end of consensus politics in the Netherlands”, in: World Socialist Web Site, wsws.org.

[15] Herman Philipse: “Stop de tribalisering van Nederland: Veel allochtonen nemen waarden mee die niet passen in onze samenleving”, in: NRC Handelsblad, 27.9.2003.

[16] Ayaan Hirsi Ali: “Het Nederland van ooit. Al deze mensen horen thuis in Madurodam, mini-Nederland, onaangeraakt door de problemen van de echte wereld.” In: Trouw, 30.11.2004.

[17] “Violette” Regierung: gebildet aus rot und blau, den Farben der Sozialisten und der Liberalen.

[18] Geert Mak:

[19] Already &

[20] Piet de Rooy: “Grote veranderingen in een klein land”. In: Ders.: Met Kok. S. 158.

[21] Vgl. Honneth; Lash; Frosh; Jacobi; Zygmunt Bauman.

[22] Anthony Giddens: ..

[23] Vgl. Jonathan Israel: “Kultureller Selbstmord”.

[24] Zygmunt Bauman: “Hochseilakte können nur wenige wagen”, in: www.freitag.de/2005/34/05340301.php (01.09.2005).

[25] H.J. Schoo: “Van oude en nieuwe klasse, of de deftigheid in het gedrang”, in: Roevoet et.al., vgl. Haagse tegenstrijdigheden, 2003, S. 23.

[26] Sylvain Ephimeno.

[27] Vgl. Philip van Praag (2004): “Nieuwe Politiek: er verandert meer dan menigeen lief is”, in: Haagse tegenstrijdigheden – twee jaar verder, S. 70.

[28] Vgl. Jonathan Israel: the Anglo-Dutch moment &

[29] Geert Mak: ”Nederland moet eindelijk leren wat echte tolerantie betekent – Antwoord aan Leon de Winter”, in: NRC Handelsblad, 14.5.2005

[30] Vgl. Geert Mak: Nagekomen flessenpost, S. 12.